Der Eugen Helmlé Übersetzerpreis 2024 geht an Claire de Oliveira
Die französische Übersetzerin Claire de Oliveira erhält den mit 10.000 Euro dotierten Eugen Helmlé Übersetzerpreis 2024. Der gemeinsame Preis der Stiftung des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes (Stiftung ME Saar), der Stadt Sulzbach und des Saarländischen Rundfunks (SR) würdigt das Andenken des bedeutenden Sulzbacher Übersetzers und Autors. Er wird am Montag, 9. September, 19.00 Uhr, in der AULA in Sulzbach verliehen – verbunden mit einer Lesung aus Thomas Manns „Zauberberg“. Die Laudatio hält Patricia Oster-Stierle, Professorin am Lehrstuhl für französische Literaturwissenschaft an der Universität des Saarlandes. SR 2 KulturRadio sendet einen Mitschnitt der Veranstaltung am Mittwoch, 18. September, 19.15 Uhr in „Literatur im Gespräch“.
„Wörter werden umso geheimnisvoller, je tiefer man sie ergründet“, diese Erfahrung machte Claire de Oliveira bereits als Kind. Im Alter von zehn Jahren versuchte sie, das Libretto von Mozarts Zauberflöte ins Französische zu übertragen.
Mehr als 50 Jahre später hat Claire de Oliveira wichtige Klassiker der deutschsprachigen Literatur neu übersetzt, etwa Joseph Roth, Elias Canetti, Franz Kafka oder Thomas Manns „Zauberberg“, den sie in einer vielfach preisgekrönten Übersetzung dem französischen Publikum völlig neu zugänglich macht: indem sie den Text „ohne Gefälligkeit und Anachronismus modernisiert, (…) das Süßliche ausmustert, die Wortspiele wiederherstellt, die der Mannschen Prosa ihren vollen Geschmack und ihre ganze Leichtigkeit, ja sogar ihren Humor zurückgeben – eine Sache, die in der ersten Version gar nicht erst wahrgenommen wurde,“ schrieb Le Monde.
Claire de Oliveira übersetzt außerdem prominente aktuelle Literatur aus Deutschland etwa von Iris Wolff, Botho Strauss oder Jenny Erpenbeck (International Bookerprize 2024). Seit 1996 übersetzt sie außerdem die Werke der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller. Darüber hinaus macht Claire de Oliveira, vertraut mit dem Land des ehemaligen Ostblocks, dem französischen Publikum auch rumänische Literatur zugänglich.
„Claire de Oliveiras Übersetzungen zeichnen sich durch Kreativität, Texttreue und eine genaue Kenntnis des literarischen und historischen Kontexts aus, in denen die übertragenen Werke entstanden sind. Für de Oliveira sind Literaturwissenschaft und Übersetzung „kommunizierende Röhren, die einander bedingen“. Es sind ihre werktreuen und präzisen Übersetzungen, etwa von Herta Müllers Roman „Atemschaukel“, die die Jury überzeugt, ja teils verblüfft haben,heißt es in der Begründung der Jury des Eugen Helmlé Übersetzerpreises.
Im Rahmen der Preisverleihung wird Claire de Oliveira, gemeinsam mit dem Schauspieler und Sprecher Jan-Aiko Zur Eck, zweisprachig aus „Der Zauberberg“ / „La montagne magique“ lesen und mit SR-Redakteurin Tilla Fuchs über ihre Übersetzungsarbeit an diesem monumentalen Roman sprechen. Derzeit übersetzt de Oliveira die frühen Erzählungen Thomas Manns.
Claire de Oliveira, geboren 1961, arbeitet als Übersetzerin und Literaturwissenschaftlerin. An der Pariser Université de la Sorbonne unterrichtet sie deutschsprachige Lyrik, Übersetzung und Übersetzungswissenschaft. Claire de Oliveira ist Vorsitzende der Jury des Nerval-Goethe-Preises und seit 2017 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
„Vom Libretto der Zauberflöte bis hin zum Zauberberg – Claire de Oliveira scheut keine Herausforderung bei der Wahl ihrer Übertragungen ins Deutsche. Gleich um welches Werk es sich handelt: Immer hat es die Germanistin und Übersetzerin angetrieben, mit Hilfe ihrer großen Kenntnis der (literatur-)geschichtlichen Zusammenhänge und ihrer außergewöhnlichen Sprachkompetenz die Schriften und damit die entsprechend andere Kultur der frankophonen Leserschaft zugänglich zu machen. Eine Leistung, die der Saarländische Rundfunk als kulturell verbindender Akteur in der Großregion sehr gerne wertschätzt. Wir gratulieren Claire de Oliveira von Herzen“, erklärte SR-Intendant Martin Grasmück.
Oswald Bubel, Vorstandsvorsitzender der Stiftung ME Saar: „Gerade in einer Grenzregion wie dem Saarland wissen wir, wie wichtig das Verständnis unter den Nachbarn ist. Übersetzer spielen dabei eine wichtige Rolle, denn sie schlagen die sprachliche Brücke und ermöglichen das Verständnis einer anderen Kultur. Mit Claire de Oliveira erhält eine würdige Preisträgerin den Eugen Helmlé Übersetzerpreis. Sie scheut sich sichtlich nicht vor großen Herausforderungen. Dies hat sie mit ihren Übersetzungen von Thomas Manns Zauberberg sowie Büchern der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller eindrucksvoll unter Beweis gestellt.“
Der Bürgermeister der Stadt Sulzbach, Michael Adam, betont: „Der Eugen Helmlé Übersetzerpreis hat für die Stadt Sulzbach eine besondere Bedeutung. Als Partner der Preisverleihung haben wir die Möglichkeit, das Lebenswerk von Helmlé, der hier in unserer Stadt seine Heimat hatte, noch stärker ins Bewusstsein der Menschen zu rücken. Der Eugen Helmlé Übersetzerpreis ist längst ein wichtiger Bestandteil des dichten Netzes deutsch-französischer kultureller Verbindungen. Übersetzerinnen und Übersetzer leisten durch ihre Arbeit einen wertvollen Beitrag dazu, unsere beiden Länder einander näherzubringen. Um dies zu erreichen, tauchen sie tief in die Kultur des anderen Landes ein und nehmen ihre Leserinnen und Leser mit auf diese Reise. Der neuen Preisträgerin, Claire de Oliveira, gratuliere ich von Herzen.“
Die Jurorinnen des Eugen Helmlé Übersetzerpreises 2024 waren die Berliner Journalistin Susanne von Schenck, die Literaturbeauftragte der Direction Régionale des Affaires Culturelles (DRAC) der Region Grand Est in Metz, Colette Gravier, und Tilla Fuchs, Literaturredakteurin (Saarländischer Rundfunk).